Chemiestudium
Um dieses sagenumwobene Studium ranken sich viele Horrorgeschichten und Vorurteile, angefangen vom Herumhantieren mit hochgiftigen Substanzen wenn man noch gar nicht weiß, wie giftig diese wirklich sind, bis zu utopischen Stundenplänen mit bis zu 50 Stunden Unibetrieb die Woche.
Leider muss ich zugeben, dass all dies relativ genau der Wahrheit entspricht.
Jedoch hört sich alles zunächst schlimmer an, als es eigentlich ist. Das kann ich zumindest sagen, nachdem ich zufrieden auf meine durchstandenen Semester zurückblicke. Wer sich als Chemiefreak an die Sache heranwagt und dafür begeistern kann, braucht sich keine Sorgen zu machen. Es bedarf am Anfang nur einer gehörigen Portion Gewöhnung an ungewohnte Arbeitszeiten...
Ich habe versucht, alles Wissenswerte zum Ablauf des Chemiestudiums zusammenzufassen. Aus praktischen Gründen gilt dies aber alles hauptsächlich für die Uni Würzburg. An anderen Unis kann es beispielsweise passieren, dass die Teilgebiete völlig anders aufgebaut sind (OC schon im ersten Semester neben der AC oder die PC erst in vierten Semester), die Grundinhalte der Praktika und des insgesamten Studiums dürften sich allerdings entsprechen.
Alle hier genannten Daten beziehen sich auf den Diplomstudiengang um das Jahr 2000 herum. Durch die Umstellung auf Bachelor und Master sowie allgemeine Änderungen in den Vorlesungen sind Abweichungen vom momentanen Stand sehr wahrscheinlich.
Der Studienablauf
Die ersten beiden Semester drehen sich hauptsächlich um die beiden Praktika in Anorganischer Chemie (AC), in denen man als unbedarfter Unwissender an die Materie herangeführt wird und sich sein Vordiplomswissen der AC aneignet (Näheres zu den einzelnen Semestern, soweit ich sie bereits durchlebt habe, bei den jeweiligen Unterpunkten). Nach dem zweiten Semester legt man das Physik-Vordiplom ab. Im dritten Semester folgt dann eine Vertiefung der Physikalischen Chemie (PC) inklusive eines Praktikums. Im vierten Semester wird die Organische Chemie (OC) in Angriff genommen.
Nach dem vierten Semester muss man die Vordiplomsprüfung in Anorganischer, Organischer und Physikalischer Chemie ablegen. Danach werden in den folgenden Semestern die drei Hauptgebiete der Chemie in weiteren Praktika vertieft. Außerdem müssen zwei Forschungs- (F-) Praktika absolviert werden. Dies kann in einem Institut der Universität oder einem Betrieb (in Würzburg zum Beispiel das Frauenhofer Institut) durchgeführt werden. Danach folgt die Diplomsprüfung und anschließend die Diplomarbeit, die in einem Arbeitskreis absolviert wird. Will man zusätzlich noch promovieren, arbeitet man dann noch für 2 bis 4 Jahre weiter in einem Arbeitskreis (AK).
Das reine Studium an sich dauert 8 Semester, also 4 Jahre. 7 Semester werden dabei für Praktika benötigt, danach kommt die Diplomarbeit. Die beiden F-Praktika werden in zwei Semesterferien des Hauptstudiums durchgeführt. Dann darf man sich bereits Diplomchemiker nennen. Meist kommen jedoch noch ein paar Semester dazu, wenn z.B. ein Praktikum wiederholt werden muss, ein F-Praktikum erst nach dem letzten Praktikum gemacht wird, ein längerer Auslandsaufenthalt dazwischen kommt oder man sich einfach ein Semester zum Lernen für das Diplom gönnt.
Das Chemiestudium ist vor allem deswegen als überdurchschnittlich lang verschrieen, weil normalerweise noch eine Promotion angehängt wird, die zwischen zwei und vier Jahre dauert. Dieser Aufstieg zum Dr. rer. nat. war bislang fast zwingend nötig, um in der Industrie beachtet zu werden. Da es allerdings auf dem Arbeitsmarkt düster mit Chemikern aussieht und Prophezeiungen von Marktforschern äußerst rosige Aussichten für Absolventen voraussagen, könnte es vielleicht sogar sein, dass die Promotion in wenigen Jahren nicht mehr ganz den Stellenwert hat, den sie heute innehält. Aber das steht noch in den Sternen. Außerdem haben die Studentenzahlen in den letzten Jahrgängen wieder angezogen.
Wohlgemerkt hat man als Doktorand bereits eine Anstellung an der Universität (um genau zu sein eine halbe Stelle), bekommt also schon so etwas wie ein Gehalt. Das ist zwar nicht berauschend viel, reicht aber, um zu überleben (viel Zeit zum Geld ausgeben hat man als Chemiker sowieso nicht ;-). Von daher muss man die lange Studienzeit von sieben bis acht Jahren gewissermaßen relativieren.
Achtung: Alle Stundenpläne sollen lediglich zur Übersicht dienen und erheben weder Anspruch auf Vollständigkeit noch Richtigkeit der Zeiten!